Mittwoch, 21. September 2016

Jakobsweg 2007/way of st. james 2007 (Görlitz - Vacha) - Part V (Nachtrag/appendix)


Man kann also auch in Deutschland pilgern, auch wenn es nun alle nach Spanien zieht.

Nach allen Schwierigkeiten, mit denen sich jemand herumschlägt, der so gar keine Vorstellung von dem hat, was einem auf diesem Weg erwartet - Einzeletappen, Wetter, Unterkünfte, Körper - stand der Urlaub doch zwei Mal ernsthaft auf der Kippe. Umso erstaunlicher ist, dass mir 3 Tage nach unserer Rückkehr offeriert wurde, dass es doch die Möglichkeit gebe, diesen Weg auch von Vacha Richtung Santiago in Deutschland fortzusetzen.
Damit hatte ich beim besten Willen nicht gerechnet und schnell stand fest, dass, wenn es wirklich eine Fortsetzung geben sollte, diese nach Süden und durch die Schweiz führen wird!

In diesem Moment war die Idee geboren, den zukünftigen Jahresurlaub dazu zu nutzen, um in entsprechenden Etappen nach Santiago zu laufen.
Die Beschreibung, wie es weitergegangen ist, wird bald folgen.



Donnerstag, 15. September 2016

Jakobsweg 2007/way of st. james 2007 (Görlitz - Vacha) - Part IV (Merseburg - Vacha)


Pilgern/Pilgrimage
Heute (23.08.2007) steht eine lange Etappe an und so starten wir zeitig in den tag. das dieser ziemlich komfortabel mit einem Frühstück beim Bäcker beginnt, wirft uns schon am frühen Morgen zeitlich doch wieder etwas zurück.
Wir sind uns einig - diese Übernachtung in der Kirche war etwas ganz besonderes und letztlich war es eine gute Entscheidung, das Angebot der Freunde nicht anzunehmen.

Noch in der Stadt begegnet uns ein Mann mit Rucksack und weit ausschreitend. Wir kommen ins Gespräch und stehen einem 'Opfer' des Kerkeling-Buches gegenüber.
Der Mann trainiert für seine Pilgertour, die er im September beginnen möchte.

Bei den anvisierten 27,5 Kilometern, sind wir über eine mögliche Abkürzung in der Stadt nicht unglücklich.
Aber wie heisst es schon in dem Western '700 Meilen westwärts': "Wie war die Abkürzung? Etwas länger!"
Ganz sicher sind wir uns da nicht, aber wir verlieren bei diesem Experiment und finden erst Merseburger Tierpark wieder auf den rechten Weg zurück.

Richtung Braunsbedra passieren wir einige ehemalige und inzwischen wieder geflutete Tagebaue.
Wir sind auf wenig befahrenen Landstraßen unterwegs, aber dies ist ebenso unangenehm wie das Laufen auf asphaltierten Fußwegen. Die Fußsohlen sind da schnell heiß gelaufen und beginnen zu 'brennen'.

Während sich der Pilgerweg bisher an alten Wegen orientieren konnte, ist dies hinter Merseburg nicht mehr möglich. Durch die zahlreichen Tagebaugruben ist der genaue Verlauf verloren gegangen.

Heftiger Regen lässt uns eine Weile unter einem Unterstand verweilen und anschließend geht es zu einem Flecken der mit Luftschiff bezeichnet ist. Hat aber sichtlich nichts damit zu tun - es handelt sich hier um ein kleines Gewerbegebiet bei Pettstädt.

In der Kantine stoßen wir auf eine sehr freundliche Betreiberin, die uns zu einem ausgesprochen leckerem Pflaumenkuchen einlädt.

Auf einem Plattenweg ziehen wir weiter durch die Felder und bekommen zahlreiche Feldmäuse zu Gesicht, welche sich von unserem Nahen aufgeschreckt, aus dem Grünstreifen zwischen den Betonplatten in ihre sicheren Erdlöcher im Feld retten. Ich habe noch nie so viele Mäuse gesehen, wie an diesem Tag.

Dann liegt Freyburg unter uns und der Abstieg fordert nach den vergangenen Kilometern vollste Konzentration und die letzten Kräfte.

Wir überqueren die Unstrut und stehen vor unserer nächsten Herberge.

Es ist keine echte Pilgerherberge, sondern ehr eine kleine Ferienwohnung mit Dusche und richtigen Bett. Es hätten auch schlichtere Zimmer zur Verfügung gestanden. Ein klein wenig Komfort sollte man sich ab und an vielleicht doch gönnen!

Das Abendbrot im Restaurant ist unerwartet günstig. Es liegen 5 Schweinemedaillons auf dem Teller, wofür 8,40 Euro zu bezahlen sind. Das es so etwas noch gibt?

Es ist Freitag (24.08.) und unser Ziel lautet Eckartsberga. Bevor wir uns die 25 Kilometer unter die Füße nehmen, gibt es ein sehr reichhaltiges Frühstück mit einer Kerze. Der 'Herbergsvater' Fiedelak lässt es sich nicht nehmen und gibt uns neben der Herrenhuter Losung des Tages auch noch den Pilgersegen mit auf den Weg.
Ein für uns Atheisten etwas ungewöhnlicher Tagesbeginn, aber auch eine echte und angenehme Überraschung, in der heutigen Zeit einen Menschen mit derartiger christlicher Hingabe zu erleben.

Die Gesamtstrecke ist für den geplanten Urlaub etwas zu reichlich. Und so müssen wir immer etwas überlegen, wie wir es bis Vacha in der vorgegebenen Zeit schaffen können.
Deswegen haben wir beschlossen, die Stadt Naumburg links liegen zu lassen und aus zwei Etappen eine zu machen.

Hinter Roßbach verlassen wir das Unstrut-Tal. Der anstieg ist steil und die hohen Temperaturen lassen den Schweiß in Strömen fließen.

Etwas später treffen wir auf Magdalene, die trotz ihrer 68 Jahre recht flott unterwegs ist und auch noch den Charme einer älteren, recht pfiffigen Dame versprüht.
Wir werden ihr später wieder begegnen!

Es ist heiß und wir hoffen auf ein Café im nächsten Ort, müssen in Punschrau jedoch erfahren, dass es so etwas weit und breit schon lange nicht mehr gibt.
Stattdessen wird uns frischgebrühter Kaffee nach wenigen Minuten an den Feuerlöschteich mitten im Ort gebracht. Und um unser Glück vollständig zu machen, erscheint just in diesem Moment der rollende Dorfkonsum. Es ist ganz offensichtlich seine letzte Station, denn außer zwei Bananen und Eis kann uns der Fahrer nichts mehr anbieten.
Uns ist das auf jeden Fall recht.


So verpflegt, genießen wir die Pause an dem kleinen Teich - das Leben kann manchmal recht unkompliziert sein. Schön ist es auf jeden Fall!

In Lißdorf ist der 'Hund begraben' und die Pfarrerin Eckartsberga gerade aus dem Urlaub zurück. Und so wird dieser Ort unser neues heutiges Ziel.
Wir kommen ohne Probleme im Pfarrhaus unter.


Bald erscheint auch Magdalena und Abendbrot gibt es in der Dorfkneipe. Die Lokalität macht auf mich keinen Vertrauen erweckenden Eindruck. Ich sehe mich mit zwei Spiegeleiern auf Brot auf der sicheren Seite, während die Mädels Bratwurst ordern.

Da sich offensichtlich nur Pilger in diese Gegend veriiren, werden wir auch sofort gebeten, einen Eintrag in dem Buch zu tätigen, welches die große Welt in Eckartsberga dokumentiert.
Immerhin finden wir auch Zeilen, die die Anwesenheit von Neuseeländern in dem Lokal beweisen sollen.


Stedten ist unser nächstes Ziel. Frühstück bekommen wir beim Dorffleischer mit angeschlossener Bäckerei. Es kann aber auch die Dorfbäckerei mit angeschlossener Fleischerei sein. Keiner weiß es so genau!

Irgendwann erreichen wir Oberreißen. Hier findet sich nicht nur eine der von Lyonel Feininger gemalten Kirchen, sondern auch ein mit Liebe gestalteter Wegweiser.

Der Ort bietet neben der Chance auf einen zusätzlichen Pilgerstempel auch ein Eiscafé.

Wilde Obstbäume säumen anschließend den Weg. Das die Äpfel noc´h nicht reif sind, wird durch sehr leckere, fast dunkelblaue, süße Pflaumen wieder wettgemacht.

Der letzte Streckenabschnitt führt uns über Felder, vorbei an einer Straußenfarm.
Die Herberge in Stedten entpuppt sich als kleine restaurierte Dorfkirche in deren Turmzimmer Matratzen für den geschundenen Wanderer bereitliegen.
Leider gibt es keine Duschen!

Später erfahren wir, dass dieses Gotteshaus von beiden Konfessionen und auch als Wahlbüro genutzt wurde und auch noch immer wird.


Stedten bietet keine Gastronomie, wenn man mal von dem privaten Garten 'Moni's Kneipe' einmal absieht.
Auf die Frage nach einer Apfelschorle oder einem alkoholfreiem Bier wird uns lapidar geantwortet: "Radler ist das Dünnste was wir haben!!". Dann also Radler.


Der Sonntag wird uns nach Erfurt bringen. Vorsichtshalber rufen wir im Augustinerkloster an - nicht weil wir uns die Unterkunft fürchten, aber das Kloster hat sich einer kleinen Tradition verschrieben.
In der hohen Zeit des Pilgerns war auch die Stadt Erfurt eine von vielen Zwischenstationen auf dem Weg zum Grab des Jakobus. Pilger war gar als eigener Stand anerkannt und viel betuchte Bürger zeigten sich großzügig in der Unterstützung der Pilgerschar. So haben reiche Kaufleute in Erfurt ein Hospital gestiftet und gaben jedem Pilger am nächsten Morgen ein paar neue 'Schuhe' mit auf den Weg. Ganz selbstlos war dies dann natürlich doch nicht, erhoffte man sich doch eine positive Bewertung im Jenseits und die Schuhe machten auch eines unmissverständlich klar - am morgen mussten die Pilger weiterziehen, denn mehr als eine Nacht durften sie nicht im Ort verbringen.
Im Augustinerkloster bekommt der Pilger in Anlehnung daran eine kleine Sandale als Anhänger.
Der Weg von Stedten führt uns über Felder und durch kleine Dörfer. Die Zeit vertreibe ich mir damit, dass ich mit einer 'Volkszählung' bei den Nagetieren beginne.
Ich habe keine Ahnung, wie hoch die Population sonst auf deutschen Äckern ist, aber nach den ersten 500 bis 600 Metern komme ich bereits auf mehr als 1000 Tiere. Es scheint eine Plage zu sein!
Die kurze Pause in Kerpsleben wird zum Kraft tanken genutzt, dann fallen wir auch schon bald in Erfurt ein.
Der Weg in das Zentrum ist mühsam, aber irgendwann stehen wir vor dem Kloster und bekommen unser Zimmer zugewiesen.
Ein kleines Zimmer mit drei Betten und einem Waschbecken - wir sind froh, dass wir uns angemeldet haben.
Mittlerweile sind wir an das Laufen so gut gewöhnt, dass wir nach der Ankunft noch immer ausreichend Kraft haben, um uns in der Stadt noch etwas umzuschauen.
Erfurt ist mit seinem Domberg und der nach der Wende völlig restaurierten Altstadt wunderschön anzusehen. Die Krämerbrücke ist mit ihren Geschäften und Wohnhäusern ein echtes Kleinod. Und am Flüsschen Gera reiht sich ein Café an das andere.
Wir genießen die wenigen Stunden in der Stadt.


Wir schleichen uns aus dem Zimmer. Magdalena möchte keine längeren Etappen mehr laufen und kann es sich deshalb leisten, ihren Tag etwas später zu beginnen.
Wir jedoch laufen zur Krämerbrücke, nehmen hier unser Frühstück zu uns und beobachten, wie die Stadt nach einem Wochenende langsam erwacht.


Gotha ist etwa 25 Kilometer entfernt, der Weg ist asphaltiert und führt uns parallel zur B7 durch Maisfelder. Es ist wahrlich nicht schön zu laufen.
Unterwegs müssen wir noch die Quartierfrage klären und erleben eine Überraschung.
Unter der angerufenen Nummer meldet sich auch jemand, teilt uns aber mit, dass die Familie außerhalb Geburtstag feiern ist. Man würde aber das Tor offen lassen und gab uns auch eine Beschreibung, wie und wo wir notwendige Dinge im Haus finden und wir uns betten können.
Wir fanden eine Situation vor wie im Gespräch beschrieben und richteten uns häuslich ein. als wir gerade mit dem Kaffee trinken fertig waren, kam der Hausherr um nach dem rechten zu sehen und um gleich wieder zu verschwinden. Unglaublich!

Noch unter dem Eindruck des vergangenen Tages entschieden wir uns dazu, einen Teil des Weges nach Eisenach mit der Eisenbahn fortzusetzen. In Mechterstätt verließen wir das Transportmittel und machten uns auf den Weg auf die Hörselberge. Bergbesteigung auf kürzester Strecke brachte uns ordentlich ins Schwitzen, weswegen der Kaffee und der Kuchen auf dem Gipfel nun wahrlich verdient gewesen ist.
Die Wirtin und die Bedienung sind ausgesprochen freundlich und wir werden zu Milchkaffee und sehr leckerem Kuchen eingeladen. Wir hören uns ein wenig die Sorgen und Nöte der Pächterin an und laufen auf dem Kammweg zwischen 'Großer Hörselberg' und 'Kleiner Hörselberg' entlang. Von hier hat man einen fantastischen Blick über den Thüringer Wald , Zum Großen Inselberg und auch zur Wartburg. Es ist ein echtes Wandererlebnis!
Die letzten Kilometer nach Eisenach sind wieder recht beschwerlich und der Weg scheint kein Ende nehmen zu wollen.
In Eisenach kommen wir im Diakonissen Mutterhaus unter und treffen hier wieder auf Siegfried und Barbara.

Es ist Mittwoch, der 29.08. und heute trennen sich die Wege. Barbara möchte weiter über den Elisabeth-Weg gen Westen und Siegfried hat sich den Rennsteig vorgenommen.
Wir wollen nach Oberellen, obwohl wir dort noch keine Adresse haben, bei welcher wir unterkommen können. Der einzige angegebene Kontakt, ist nicht erreichbar. Aber wir sind optimistisch!
Das erste Ziel ist die Wartburg, wo wir uns leider nicht viel Zeit gönnen.
Es ist eine seltsame Erfahrung, aber der Körper ist auf laufen aus und nicht auf Sightseeing. Sobald man etwas länger verweilt, beschleicht einen eine gewisse Unruhe und es zieht einen weiter!
Martin Luther wurde hier unter dem Namen Junker Jörg Asyl angeboten und hier übersetzte er in nur 11 Wochen die Bibel in die deutsche Sprache. Damit hat er einen nicht unerheblichen Anteil, an der Verbreitung unserer Sprache. 
Von der herrlichen Burg führt uns der Weg auf dem Rennsteig entlang, wo wir vermehrt Wanderern und Fahrradfahrern begegnen. Es erwächst der Wunsch, selber einmal mit dem Rad auf diesem Weg unterwegs zu sein.
In Oberellen stehen wir etwas ratlos an der Dorfstraße. Alle im Pilgerführer angegebenen Adressen können uns nicht weiterhelfen, aber unser Herumstehen fällt in einem Ort dieser Größe schnell auf. Wir kommen mit einem Radfahrer in Gespräch, der unmittelbar darauf mit einer Adresse wieder kommt. Hier sind Pilger gern gesehen, was man schon an der Muschel an der Haustür erkennt.
Wir treffen auf eine weitere Pilgerin und etwas später wieder auf Siegfried. der hat seinen Plan geändert und möchte nun weiter Richtung Fulda laufen.
Wir treffen uns alle beim 'Schloss' zum Abendbrot.


Vom Ziel Vacha trennen uns nun noch reichlich 24 Kilometer. Die Unruhe treibt uns recht zeitig auf die Beine. nach einem guten Frühstück mit Gebet werden wir wieder auf die Straße entlassen.
Bis Oberzella läuft es sich wunderbar durch den Wald, danach ist wieder Asphalt zu begehen.
In Vacha treffen wir noch auf Zeugnisse der vergangenen Zeit. Ein Wachturm und auch ein Stück Mauer vermitteln in etwa einen Eindruck, wie es hier in der Sperrzone gewesen sein mag.
Für das obligatorische Zielbild am Ortseingangsschild können wir eine Bewohnerin des Ortes gewinnen.
In Downtown Vacha erleben wir aber unser blaues Wunder. Es gibt kein preiswertes Quartier. Das erste Haus am Platz ist uns einfach zu teuer!
Und so entschließen wir uns für die Rückfahrt noch am gleichen Tag. Mit dem Bus und dann mit dem Zug wieder nach Eisenach und von da mit dem ICE nach Dresden.
In 5 Stunden legt man die gleiche Strecke zurück, für die man zu Fuß 3 Wochen benötigt hat. Etwas deprimierend, aber man kann beim Blick aus dem Zugfenster seinen Gedanken nachhängen.
letztlich bedauern wir diese Entscheidung! Warum soll man sich nach einer solchen Tour nicht auch mal mit einem guten Hotelzimmer belohnen - ungestört heiß Duschen, ein richtiges Handtuch, weiße Bettwäsche und ein herrlich breites Bett.

Es steht fest, dass eine derartige unmittelbare Rückfahrt nie wieder in Betracht gezogen werden wird!