Dienstag, 12. Juli 2016

Jakobsweg 2007/way of st. james 2007 (Görlitz - Vacha) - Part III (Grossenhain - Merseburg)


Pilgern/Pilgrimage 

Am Morgen verabschieden wir uns zeitig von dieser Herberge. Ein kleines Stück begleiten uns die beiden Herbergseltern. Es ist ein allerliebst anzusehendes altes Paar und es weitet sich das Herz zu einem blutigen Steak, wenn man sieht, wie viel Zärtlichkeit in dem Kuss liegt, mit welchem sich die beiden von einander verabschieden.
Das Frühstück gibt es beim Bäcker und für die vergessene Spende gehen wir auch noch einmal zurück zur Herberge. Bis jetzt waren alle Unterkünfte auf Spendenbasis, wenn man von der Unterkunft im Kloster Marienstern einmal absieht. Aber das war ja auch keine echte Pilgerunterkunft!


Heutiges Ziel ist Strehla, etwas elbabwärts hinter Riesa. Das Wetter spielt mit und auch der Streckenverlauf ist nicht sonderlich anspruchsvoll.
Der vergangene Tag entsprach ja eher einem Ruhetag, welcher uns beiden auch gut bekommen ist. Und mit den Stöcken läuft es sich jetzt auch um einiges angenehmer.
Bis Zeithain führt der Weg an Feldern entlang. In der Stadt zerschlagen sich die Hoffnungen auf eine Pause mit Kaffee und Kuchen. Zeithain vermittelt den Eindruck einer öden, toten Stadt und so ziehen wir schnell weiter.
Nach Gohlis müssen wir wieder auf asphaltierten Wegen gehen. Und was für den Radfahrer sehr angenehm ist, bereitet dem Wanderer eher Ungemach. Aber wir sind ja keine Wanderer sondern Pilger und so gehört diese Art von Strapazen eben dazu.
Strehla liegt auf der anderen Elbseite, so dass wir bei Lorenzkirch die Fähre nutzen müssen.
Inzwischen sind wir eine knappe Woche unterwegs und so dass sich der Körper mittlerweile an den Rucksack gewöhnt.
Tollkühn erwägen wir am Abend wieder auf nach Lorenzkirch überzusetzen, um uns auf dem stattfindenden Jahrmarkt zu amüsieren.
Wir verwerfen diesen Gedanken, als wir feststellen, dass wir fast ganz Strehla durchqueren müssen, um zu unserem Quartier zu kommen.
Die Herberge ist das evangelsiche Jugendhaus und die Tür steht offen - wir richten uns ein.
Barbara und Siegfried erreichen kurze Zeit später ihr Ziel und gemeinsam geht es zum Gasthof Müller. Das Abendbrot fällt unerwarteter Weise spanisch aus!


Der Start fällt uns allen schwer, hat der Frühstücksbäcker doch tatsächlich ein Buffet aufgebaut. Da wundert es nicht, dass wir den Tag erst gegen 9 Uhr so richtig beginnen.
Auf Asphalt und Feldwegen passieren wir den 'Großer Steinberg' und bald danach den 'Liebschützer Berg'. Seine sagenhaften Höhe von 198 Metern reicht, um einen weiten Blick in das Land zu bekommen.


Die 'Via Regia' wird hier auch 'Alte Salzstraße' genannt. Ein grauer, voluminöser Betonklotz erinnert daran.
Heute haben wir Glück, denn in Lampertswalde findet sich im Schlosspark ein Hinweis auf ein neu eröffnetes Café - verdiente Pause!
Später in Dahlen verlassen wir ungewollt die Strecke, auf die uns erst ein Einheimischer wieder zurück führt.
Im Ort gibt es keine Einkaufsmöglichkeit - mit einem etwas unguten Gefühl setzen wir unseren Weg nach Börln fort.
Hier treffen wir am Pfarramt die beiden anderen wieder - kein Wunder, sind die Etappenlängen doch durch die raren Herbergen vorgegeben.
Mit der Zeit werden die urigen Herbergen wohl verschwinden - auch hier ist die einstige Waschgelegenheit bereits einer Dusche gewichen.
Der Pfarrer dämpft unseren Enthusiasmus auf ein Frühstück - Börln bietet keine Möglichkeit dafür und so liegen unsere Hoffnungen auf einem reichhaltigen Abendbrot.
Auf dem Weg zum 'Hotel zum Schlosspark' entdecken wir eine Eisdiele. Man verkauft Softeis und selbstgebackenen Kuchen. Herrlich!
Das Paar wäre sogar bereit, uns am nächsten Morgen ein Frühstück zu servieren, wenn sie nicht an diesem Abend zu einer Silberhochzeit müssten.
Wir erwerben die letzten acht Stück Pflaumenkuchen, womit wir die morgendliche Verpflegung von 4 Pilger gewährleisten.
Im Hotel folgt die nächste Überraschung - man hat eine Gesellschaft und sieht keine Möglichkeit uns zu verköstigen.
Wir haben Hunger und etwas ungehalten, bitte ich das Servicepersonal, doch zu prüfen, ob wenigstens eine Suppe kredenzt werden kann.
Wir werden auf eine Warteliste gesetzt und können letztlich doch noch 'A la Carte' essen. Das ist Börln!

Von Börln nach Nepperwitz sind es gerade 20 Kilometer. Auf diesen passieren wir Wurzen, besichtigen den Dom St. Marien, und begegnen das erste Mal einer Wegmarkierung, wie sie für Spanien typisch ist - ein simpler gelber Pfeil.


In Nepperwitz beziehen wir Quartier im evang. Jugendbegegnungshaus, welches mit einer gut ausgestatteten Küche versehen ist. Gegen einen geringen Obolus dürfen wir auf die Vorräte zurückgreifen.
Es gibt einen Mix aus diversen Tütensuppen!
In der nahen Kirche findet sich ein sehr modernes Altarbild, welches den kleinen Ort bekannt gemacht hat.


Nach der verständlichen ersten Aufregung, durfte das Altarbild in der Kirche und in der Gemeinde bleiben.
Es ist ein Geschenk des Künstlers M. Fischer, nach dem das 2002-er Hochwasser das Kircheninventar zerstört hatte.

Nächstes Ziel ist Leipzig! Vor dem Start gibt es aber noch eine kleine Überraschung. Frau Pfarrer hat sich mit dem örtlichen Bäcker zusammengetan und ein Brötchen in Muschelform kreiert - sehr nett.


Der Weg verläuft wieder sehr oft auf dem unangenehmen Asphalt und auch die Streckenmarkierung lässt etwas zu wünschen übrig. Wir finden uns aber bald wieder auf den richtigen Weg zurück.
So schön das Laufen durch die Landschaft ist, so belastend ist es, eine Stadt zu durchqueren.
Mit den kleineren Städten konnten wir uns bisher immer noch arrangieren, aber jetzt stehen wir vor den Toren Leipzigs. Eine Horrorvorstellung inmitten des Verkehrs auf Fußwegen das Zentrum zu erreichen.
Die Entscheidung fällt deshalb schnell - ab Engelsdorf fahren wir mit der S-bahn in die Stadtmitte. Die knapp 8 Kilometer legen wir so in etwa 20 Minuten zurück - einer für uns inzwischen atemberaubenden Geschwindigkeit.
Statt in einer Pilgerherberge übernachten wir in einem Hostel und als wir uns für das 2-Bettzimmer entscheiden haben wir auch ein schlechtes Gewissen - aber nur ganz kurz!
Erster Verschleiß am Material zwingt mich in einen Konsumtempel - eine neue Hose ist fällig. Lecker Abendbrot gibt es bei einem Italiener!

Wir erwachen von einem sehr, sehr unangenehmen Geräusch. Es regnet nicht nur, es schüttet Wassermassen aus den Wolken über uns. Auf dem kurzen Weg (300 Meter) zum Bahnhof sind wir durchgeweicht - das Wetter drückt auf die Stimmung.
Wir schinden Zeit und Frühstücken im Reiseambiente des Leipziger Bahnhofs.
Es regnet noch immer!
Unser Gepäck im Schließfach machen wir uns auf dem Weg zur Nikolaikirche. In diesem geschichtsträchtigen Kirchengebäude lassen wir uns einen Stempel in den Pilgerausweis geben.
Da wir am Tag zuvor schon den Komfort des öffentlichen Nahverkehrs genutzt haben, wollen wir das heute (21.08.) natürlich nicht wiederholen. Aber es regnet noch immer und eine baldige Wetterbesserung ist nicht zu erkennen.
Letztlich bleibt uns nichts anderes übrig, als mit der Straßenbahn nach Schkeudtz zu fahren. Von hier nehmen wir noch für ein kurzes Stück den Bus und erreichen Kleinliebenau am zeitigen Nachmittag.
Es hat aufgehört mit regnen!
Die kleine Rittergutskirche wird gerade ausgebaut und soll irgendwann einmal als Herberge den Pilgern zur Verfügung stehen - unsere Schlafstätten stehen heute auf einem Privatgrundstück. Der Eigentümer ist zwar auch gerade Pilgerschaft, aber der Nachbar gibt uns den Schlüssel zu einem kleinen Gartenhaus - allerliebst!
Hoffentlich bleiben wir allein, denn für mehr als 3 Pilger ist kein Platz zum Schlafen.


Für den Abend verabreden wir uns mit Freunden aus Halle. Und für das Abendbrot bietet sich eine nahe Gaststätte an. Wir werden nach unseren Erlebnissen und Erfahrungen ausgefragt und so vergeht die Zeit recht schnell.
Wir bekommen ein Angebot für den nächsten Abend - sie würden uns in Merseburg abholen, am Abend grillen und uns ein richtiges Bett mit weißer Bettwäsche auf einer Matratze geben. Das klingt wahrlich verlockend - eine Entscheidung fällt jedoch nicht!

Die Etappe nach Merseburg ist mit etwa 18 Kilometern nicht besonders lang. Aber es kann anstrengend werden, wenn man kein Frühstück bekommt. Keiner der Orte kann mit einem Bäcker oder 'Tante Emma'-Laden punkten. Irgendwann erinnern wir uns unserer Powerriegel - Pause am Flüsschen Luppe. Eine Nutriafamilie lässt sich von uns bei ihrem Tagesgeschäft nicht stören. Ein paar kleinere Pausen später erreichen wir Merseburg.
Den Schlüssel zu unserer Unterkunft bekommen wir beim Bäcker. Dann sind es noch wenige Meter und wir stehen vor der Neumarktkirche.
Im Kirchturm geht es hinauf zur ehemaligen Orgelempore, wo sich Matratzen und zwei Toiletten mit Waschgelegenheit finden.
Auch wenn die Kirche zu diesem Zeitpunkt noch Besuchern offen steht, so ist eines schnell klar, die Nacht verbringen wir hier! Wann bekommt man so eine Chance wieder? Schlafen in einem Sakralbau, der erstmalig in einer Urkunde von König Barbarossa im Jahr 1188 erwähnt wird!Eine große Kirche nur für uns, hat seinen ganz speziellen Reiz!
Wir suchen am Nachmittag noch den Merseburger Dom auf und brauchen als Pilger auch keinen Eintritt zu bezahlen - eine kleine Überraschung!
Es ist ein sehr heißer Tag und wir entschließen uns, das Abendbrot als Picknick an der Saale einzunehmen. Es ist herrlich!


Als wir mit einbrechender Dunkelheit unsere Kirche erreichen, ist diese abgeschlossen.


Wir ersteigen unsere Empore und betten uns. Es hat seinen ganz eigenen Flair in einem Gotteshaus zu übernachten. In der Stille der Nacht konzentriert man sich auf jedes einzelne, an das Ohr dringende Geräusch. Beharrlich hört man die Kirchuhr ticken und schläft schließlich irgendwann ein!

 



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