Sonntag, 10. April 2016

Jakobsweg 2007/way of st. james 2007 (Görlitz - Vacha) - Part II (Görlitz - Grossenhain)

Pilgern/Pilgrimage 

Zuerst heisst es natürlich nach Görlitz zu kommen. Das ist kein Problem sind doch Dresden und die geteilte Stadt an der Grenze zu Polen mit einem Schienenstrang verbunden.
Die Bahn arbeitet fieberhaft an ihrem Gleisnetz und so brauchen wir noch 2 Stunden für die 100 Kilometer.
Schon an diesem Satz kann man erkennen, dass wir noch im Modus 'Schnell!Schnell!' befinden. Das wird sich in den nächsten Tagen ändern!

Unser Quartier (Evangelisch-methodistische Gemeinde) ist nicht weit vom Bahnhof entfernt und wenn auch mehrere Schlafplätze angeboten werden, bleiben wir in dieser Nacht doch die einzigen Gäste.
Wir haben ausreichend Zeit uns durch die östlichste Stadt der Republik treiben zu lassen. 
Görlitz wurde im Krieg nahezu verschont und besticht heute durch seine zahlreichen Baudenkmäler in den verschiedensten Stilarten.

Am nächsten Morgen, es ist der 12.08.2007, ein Sonntag, starten wir in Görlitz. Unsere Etappe wird uns über die Königshainer Berge nach Buchholz führen und ist mit ihren knapp 29 Kilometern auch gleich ein guter Einstieg. 
In Görlitz treffen wir beim Bäcker (Frühstück) auch schon den ersten Mitpilger. 
Siegfried ist fast 70 Jahre alt und kommt aus dem Schwabenland. Er sei bereits alle Wege Spanien gelaufen und komme von diesem Weg einfach nicht los, erzählt er.

Das Wetter spielt mit, denn die Sonne versteckt sich hinter den Wolken, was das Laufen angenehm macht.
Nach etwa der Hälfte der Strecke erreichen wir den Hochstein mit gleichnamiger Baude. Diese ist geöffnet und wir bekommen so die Möglichkeit uns zu stärken.

Die erste Nacht verbringen wir in einer alten Dorfschule, die zu einer Herberge umgebaut wurde. Eine reizvolle Unterkunft und in keinster Weise mit den Herbergen in Spanien zu vergleichen.

Von Buchholz geht es am Tag darauf nach Bautzen. Der Pfarrer verabschiedet uns in der Dorfkirche und gibt uns seinen Segen mit auf den Weg.

Nach den ersten 3 Kilometern erreichen wir das Örtchen Weißenberg, in dem der Bäcker nicht bloß geöffnet hat, sondern auch ein Frühstück anbietet. Klasse!

Bis auf weiteres waren die Königshainer Berge die höchsten Punkte im Gelände. Und so laufen wir zwischen Maisfeldern auf ebenem Gelände und können schon bald die Türme der Stadt Bautzen am Horizont ausmachen.

Wir können uns bisher sehr gut auf die Ausschilderung verlassen. Auf diesem Weg wird die Richtung durch die gelbe Muschel angezeigt.

Eine gute Ausschilderung ist wichtig, da man sich doch auf diesem Weg mit seinen Gedanken auseinandersetzen soll und so muss der Pilgerführer reichen. Dieser ist auch eher dafür gemacht, um auf kulturelle Highlights hinzuweisen und soll in Notsituationen helfen auch wieder auf den richtigen Weg zu finden. 
Bei einer guten Ausschilderung sollte dies reichen, ist es doch nicht im Sinne des Erfinders von einer solchen strecke ein ganzes Paket regionaler Wanderkarten mit sich zu führen.


Sehr viele Pilger kommen diesen Weg ganz offensichtlich noch nicht entlang gelaufen, erwecken wir mit unseren Rucksäcken doch reichlich Aufmerksamkeit. So müssen wir viele Fragen beantworten.

Heute ist es heiss und Schatten spendende Bäume sind rar. Sechs Kilometer vor Bautzen finden wir einen Hinweis auf ein Lokal - aber es ist ja Montag!
Wir stehen etwas ratlos im menschenleeren Ort herum, als wir über einen Gartenzaun angesprochen und zu Kaffee und Kuchen eingeladen werden. Grandios!
Es gibt sie also noch, die freundlichen Menschen in Deutschland! Wer hätte das gedacht! 


Nach einer solchen, kurzen Pause fällt es immer besonders schwer, wieder in Tritt zu kommen. Die Schultern schmerzen vom Rucksack und die Sehnen und die Muskulatur sind dann auch immer sehr überrascht und bedürfen etwas Zeit und eine kurze Strecke, bis sie ihrer Funktion wieder in vollem Maße nachkommen können. 

Bautzen ist mit 40.000 Einwohner keine sonderlich große Stadt, aber das Laufen durch die Straßen macht trotzdem keinen Spaß.

Unsere Freude, unser Quartier erreicht zu haben, weicht schnell einsetzender Ernüchterung.

Obwohl wir eine Reservierung haben, ist kein Mensch anwesend und auch auf unsere Telefonate wird nicht reagiert.

Die Stimmung ist etwas gereizt!

Verhältnismäßig schnell findet sich ein neues Quartier, wofür wir allerdings die komplette Stadt durchqueren müssen. Für die Psyche nicht so gut, hat man doch mit der Etappe bereits abgeschlossen.
Aber letztlich hat es sich gelohnt.

Am kleinen Häuschen werden wir herzlich empfangen. Die eigentlichen Besitzer sind zwar selbst im Urlaub, haben aber eine Vertretung organisiert. 
Es gibt Betten und eine leckere Bohnensuppe zum Abendbrot!

Am nächsten Morgen zeigt uns die gute Seele des Hauses noch eine kleine Abkürzung, dann sind wir auch schon auf dem Weg nach Panschwitz-Kuckau. Hier werden wir nach einer recht kurzen Etappe (20,5km) im Kloster St. Marienstern übernachten!

Zuvor passieren wir aber noch das sogenannte Milleniumsdenkmal. Spätestens hier wird uns klar, dass wir uns auf katholischem Gebiet in dem sonst evangelischen Sachsen befinden. Zahlreiche Wegkreuze werden uns die kommende Zeit begleiten.

Das Denkmal wurde aus Dankbarkeit zu 2000 Jahren Christentum errichtet und stellt Kyrill und Method dar, zwei aus Griechenland stammende Brüder, welche als diejenigen gelten, die den christlichen Glauben zu den slawischen Völkern Ost- und Südosteuropas brachten. 
Cyrill gilt darüber hinaus als der Begründer der slawischen Schriftsprache – das noch heute von Russen, Bulgaren und Mazedoniern verwendete Alphabet ist nach ihm als "kyrillisch" benannt.



Das Pilgern verläuft nicht immer auf ausgezeichneten Wanderwegen, sondern eben auch sehr viel auf wenig befahrenen Straßen, auf Asphalt. Das strengt an und wir sind froh die große Klosteranlage zu erreichen.
Die Anlage ist riesig und gut gepflegt. Wir werden zum Pilgerquartier verwiesen und sind entsprechend geschockt. Klar, das die Pilger auf ihren Weg Verzicht üben wollen, aber das die Kirche den Pilger in einen kleinen Raum mit 8 Matratzen und einem Waschbecken unterbringt, ist schon etwas enttäuschend. Ein Hotelzimmer soll es normalerweise nicht sein, obwohl dies im Kloster für zahlungskräftige Gäste auch angeboten wird.

Auch wenn es immer heißt 'Eine Nacht geht überall!' so waren die vergangenen drei Tage etwas viel und diese Unterkunft der I-Punkt. Wenn dieser Urlaub weitergehen soll, muss ich mich um ein anderes Quartier kümmern.
Wir haben Glück und kommen in einem der Hotelzimmer unter. Nach zwei Tagen wieder ein richtiges Bett und eine eigene Dusche - das ist es wert und hebt die Stimmung. 

Nach dem reichhaltigen Frühstück im Kloster fällt die Entscheidung, dass wir unseren Weg fortsetzen. Eigentlich ist Königsbrück unser Ziel, in Kamenz müssen wir den Vorrat an Blasenpflaster auffüllen und bekommen einen Tipp.

In Reichenau, einem kleinen Ort nicht weit vom Tagesziel, ist ein sogenanntes Armenhaus ausgebaut worden. Wir treffen das Ehepaar Welk und werden mit Freude aufgenommen. Wir sind die ersten Pilger in dieser Unterkunft.

Armenhäuser waren wohl früher der soziale Wohnungsbau. Hier lebten in der Regel ältere Menschen von den Zuwendungen wohlhabender Bürger.
Dieses Armenhaus wurde von der Gemeinde auf den technischen Stand der Dinge gebracht, so dass sich auch eine gut ausgerüstete Küche darin befindet.
Wir nutzen das Angebot des Dorfkonsums und die herrliche Küche und genießen den schönen Abend vor dem Haus. Und richtige Betten gibt es auch.


Die Nacht ist erholsam und die Unterkunft auf jeden Fall zu empfehlen. Das Ehepaar Welke sucht uns am Morgen auf - wir müssen für ein Foto possieren.
Dem einsetzenden Regen ist es zu verdanken, dass wir ein Angebot bekommen was wir nicht ausschlagen können. Wir werden die wenigen Kilometer bis Königsbrück gefahren.
Hier bekomen wir das Armenhaus gezeigt, welches seinen Namen noch verdient und treffen Siegfried und einen weiteren Pilger beim Frühstück. Die Situation ist etwas peinlich - sind wir doch offensichtlich mit dem Auto vorgefahren.

Später treffen wir uns noch mit meinen Eltern - die mir meine Wanderstöcke und diverse andere Dinge bringen und überflüssiges auch mitnehmen sollen. 
Da das Wetter dem Pilger noch immer nicht wohlgesonnen ist, lassen wir uns dankbarer Weise bis Großenhain chauffieren - der Pragmatismus hält ein weiteres schlechtes Pilgergewissen klein.

Die positiven Erfahrungen mit den Wanderstöcken, lassen uns ein Sportgeschäft aufsuchen - mit Stöcken verlassen wir es wieder. 
Die Unterkunft liegt direkt neben der Marienkirche, welche auch 'Kleine Frauenkirche' genannt wird. Es gibt Betten und eine gemalte, lange Linie an den Wänden, welche einen Weg nach Santiago de Compostela darstellt.

Dank der gesponserten Etappe haben wir aber jetzt ein kleines Problem - alle getätigten Reservierungen sind hinfällig, was es etwas spannend macht!

   

    

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